Das Postmassagesyndrom

Der niedergelassene HNO-Arzt wird immer wieder von Patienten konsultiert, die über Vertigo, Tinnitus, Otalgie, diffusen Kopfdruck/Hemikranie, pseudosinugene Cephalgie (Sauer 1984) und Dysphagie klagen, ohne dass ein fassbares HNO-Substrat vorliegt. Wir wissen, dass derartige Beschwerden Ausdruck eines funktionellen Syndroms der Kopfgelenke oder der oberen HWS sein können.
Bildgebende Verfahren versagen hier in der Regel, nicht aber die manuelle Untersuchung und besonders die Anamnese.
Mehr beiläufig wird vom Patienten eine vorangegangene Massagebehandlung des Nackens angegeben – beiläufig deshalb, weil die zu intensive und schmerzhafte Behandlung des Nackens oft als falschverstandene Heilwirkung empfunden und deshalb nicht erwähnt wird. Hinweise wie die unbewußte Handbewegung in die Nackenregion oder die Angabe von Druck und Spannung im Nackenbereich erhärten zusätzlich den Verdacht. Typisch ist eine Latenz von durchschnittlich drei Tagen, nach anfänglich vorwiegend vegetativen Beschwerden bis zur „Insult“-Symptomatik.
In gutgemeinter Absicht werden durch die klassische Bindegewebsmassage des Nackens tiefere Bezirke erreicht. Es erfolgt so eine übermäßige Irritation der Propriozeptoren von Kapsel und Bändern der kleinen Wirbelgelenke, was den Circulus vitiosus aus Propriorezeption, Spannung und Gegenspannung erhöht und sich letztlich segmental bis zur Hirnstammirritation hochschaukeln kann. Durch vielfältige neuronale Verschaltung kommt es zur Pseudosymptomatik im HNO-Bereich.
Auch eine unsachgemäße chiropraktische Behandlung kann den Beschwerdekomplex auslösen. Im einzelnen gliedern sich die Fehler bei der Massage des Nackens nach Art und Dosis, dem Zeitpunkt wie auch der Lagerung bei der Anwendung. Hierbei ergeben sich entsprechende Verhaltensregeln und Präventivmaßnahmen.
Wichtig ist, dass eine sanfte Streichmassage anstelle der sogenannten Bindegewebsmassage durchgeführt wird; im Zweifelsfalle sollte der Nacken ausgespart werden. Niemals darf eine Massage des Nackens im Akutstadium durchgeführt werden. Krankengymnastische Behandlung und krankengymnastischem Training ist der Vorzug zu geben.
Entscheidend ist auch die Lagerung des Patienten. Nach Möglichkeit sollte der Kopfteil der Massageliege nach vorne abklappbar sein mit Aussparung für die Nase. Keinesfalls darf die Nackenmassage bei seitwärts gedrehtem Kopf erfolgen.
Wichtig ist die Abstützung des Oberkörpers mit einem festen, handbreithohen Schaumstoffkissen mit Aussparung für die vordere Halspartie. Keine Komplikationen ergeben sich bei der schonenden Behandlung des Nackens in Rückenlage am sogenannten Schlingentisch, auf dem der Kopf des Patienten entspannt in einer an der Decke angebrachten Schlinge hängt.